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Papa ruft an

Bastian Bielendorfer
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Standleitung zum Lehrerkind

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Papa ruft an — Inhalt

„Deutschland lacht sich kaputt“ WAZ
Wenn die Floppy-Disks nicht in den CD-Spieler passen wollen und weder die Nachbarschaft noch Apples Siri jemals wieder mit Vater sprechen möchten, dann muss Bastian dran glauben. Nachdem das Lehrerkind bereits seine Mutter fit gemacht hat fürs Weppzwonull, ist nun Vater dran – und der zahlt es dem Sohn mit ungebetenen Ratschlägen zurück. Denn auch jenseits der Dreißig gelingt es Bastian kaum, die Familienbande zu entwaffnen – vor allem, weil Vater Bielendorfer auch noch Schützenhilfe am Rotstift bekommen hat: Neffe Ludger ist zwar erst zwölf, er hält seinen Babysitter Basti aber so auf Trab, dass man am Ende nicht mehr weiß, wer hier eigentlich auf wen aufpasst …

€ 12,00 [D], € 12,40 [A]
Erschienen am 02.10.2017
272 Seiten, Broschur
EAN 978-3-492-30978-3
Download Cover
€ 9,99 [D], € 9,99 [A]
Erschienen am 02.10.2017
272 Seiten, WMePub
EAN 978-3-492-97565-0
Download Cover

Leseprobe zu „Papa ruft an“

Wenn der Vater mit dem Sohne . . .
Die Sonne scheint über Gelsenkirchen. Ein Paradoxon,
würde der Dichter sagen.
„ Schön “, sagt dagegen Vater, als er den Kopf aus
dem Fenster streckt und zufrieden unseren Vorgarten
betrachtet.
Mein Mops Otto und ich sind bei meinen Eltern
zu Gast und liegen noch müde auf der Gästecouch.
Der Hund und ich haben einen ähnlichen Biorhythmus
: Wir schlafen mehr, als wir wach sind, und
wenn wir wach sind, wünschen wir uns zu schlafen.
„ Sohn, steh auf, die Hunde müssen auch mal
raus “, sagt Vater und steht mit Maja an der Leine vor uns.
 [...]

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Wenn der Vater mit dem Sohne . . .
Die Sonne scheint über Gelsenkirchen. Ein Paradoxon,
würde der Dichter sagen.
„ Schön “, sagt dagegen Vater, als er den Kopf aus
dem Fenster streckt und zufrieden unseren Vorgarten
betrachtet.
Mein Mops Otto und ich sind bei meinen Eltern
zu Gast und liegen noch müde auf der Gästecouch.
Der Hund und ich haben einen ähnlichen Biorhythmus
: Wir schlafen mehr, als wir wach sind, und
wenn wir wach sind, wünschen wir uns zu schlafen.
„ Sohn, steh auf, die Hunde müssen auch mal
raus “, sagt Vater und steht mit Maja an der Leine vor uns.
Otto lehnt diese kühne Behauptung klar ab und
rollt sich auf dem Sofa zusammen. Anders als Maja,
der neue Hund im Hause Bielendorfer senior, der
freudig mit dem Schwanz wedelt. Meine Eltern haben Maja aus dem Tierasyl geholt, nachdem sie auf einer polnischen Müllkippe aufgewachsen ist,
sich von Abfall ernährt hat und schließlich von Tierschützern
gerettet wurde. Ein ziemlich großer, toller
Hund mit wachen Augen und einem freundlichen
Gesicht, der mich oft scheinbar verwundert über
sein Schicksal ansieht, wenn er bei Mutter auf dem
warmen Sofa sitzt, mit homöopathischen Globuli
gefüttert wird und sich täglich sein Essen aus vier
verschiedenen Sorten Leberpasteten aussuchen darf.
„ Oh, Papa, es ist doch noch viel zu früh “, quake
ich und schirme meine Augenschlitze gegen das einfallende
Tageslicht ab.
„ Papperlapapp ! Wir haben bereits die dritte
Stunde ! “, sagt Vater, der den Tag immer noch in
Schulstunden einteilt. Ein bisschen wie ein ehemaliger
Weltkriegskapitän, der beim Mittagessen
immer „ Nun haben wir Zwölfnullhundert “ brüllt.
Wenige Minuten später stehen wir auf dem Hof
vor unserer Garage. Fünfzig Quadratmeter deutsches
Ordnungsparadies. Ein halb beglatzter Nachbar
kniet vor unserem Gartentor und kratzt akribisch
das Unkraut aus den Pflasterritzen. Das Leben kann
ohne solche Aufgaben auch verdammt lang werden.
„ Hallo, Walter ! “, grüßt mein Vater und winkt. Der
Mann richtet sich kurz auf und mustert mich. Er hat
mich wohl zuletzt als Kind bewusst wahrgenommen
und ist entsprechend erschrocken, einen Feingeist
gefangen im Körper eines adipösen Wikingers vorzufinden.
„ Hat der Gallenreiter schon den neuen Streuplan
aufgehängt ? “, fragt Vater. Der Mann verneint.
„ Dann muss ich wohl einen Brief schreiben, wir
haben ja schon September, da kann es bald glatt werden.“
Im Nachbarschaftskrieg benutzt man Leuchtspurmunition
in Form von Briefen, damit man weiß,
woher der Angriff stammt. Norbert Gallenreiter ist
der direkte Nachbar meiner Eltern, Intimfeind und
anscheinend nachlässig, was die Winterstreupläne
angeht. Könnte allerdings auch daran liegen, dass es
September ist und wir in kurzen Hosen auf dem Hof
stehen.
Großherzoglich nickt mein Vater dem Unkrautkriecher
zu und wir gehen die Straße meiner Kindheit
entlang, an die ein kleiner Wald grenzt.
„ Hast du schon eine Rede für deine Hochzeit
geschrieben, Sohn? “, fragt Vater, während Maja in
den Rosenbüschen des verhassten Gallenreiters schnüffelt.
„ Na ja . . . noch nicht wirklich “, antworte ich kleinlaut.
Ich bin Westfale, öffentliche Liebesbekundungen
fallen mir genetisch bedingt eher schwer. Wir
können traditionell gut schweigen und sitzen. Jeder
hat seine Stärken.
„ Dir wird schon was einfallen. Sei froh, dass du
so eine tolle Frau bekommen hast “, sagt Vater und
zieht Maja ein paar Zentimeter zurück in die Rosenbüsche.
„ Schön hier machen, Kleine “, sagt er und
tätschelt Majas Kopf.
„ Papa ! Die kann doch nicht da hinmachen ! “, insistiere ich.
„ Und wie die kann . . . da kommt es schon “, sagt
Vater mit geradezu kindlicher Freude, weil der Hund gerade seinem Intimfeind Gallenreiter auf den Rasen
gekackt hat.
„ Und jetzt ? “, frage ich.
„ Jetzt laufen wir ! “, sagt Vater und erhöht sein
Schritttempo.
Wer den Streuplan nicht früh genug aufhängt, der wird zugeschissen.
Wir kommen am Ende der kleinen Spielstraße an.
Ich bin mehr außer Atem als Vater. Wahrscheinlich
hat er Majas Guerilla-Kacken schon so oft durchgeführt,
dass er Kondition aufgebaut hat.
„ Sohn, man darf sich im Leben nicht von anderen
reinpfuschen lassen, da muss man zurückschlagen. “
„ Papa, es ist nur ein Streuplan. “
„ Heute ist es ein Streuplan, morgen die ganze
Welt. Man muss seinen Weg gehen ! “, sagt Vater und
richtet sich dabei stolz auf.
„ So, jetzt durch den Wald ? “, frage ich. Otto neben
mir japst, wir sind für solchen Frühsport nicht
gemacht.
„ Nee, Maja will linksherum, siehst du ? “, sagt er
und lässt sich seinen Arm fast auskugeln von der
Zugkraft des Straßenhundneuzugangs.
„ WIE BITTE ? Der Hund geht ja wohl da lang, wo
DU hin willst ! “
„ Das hatten wir schon, das klappt nicht “, erwidert
mein Vater, der mir eben noch eine beeindruckende
Brandrede auf die Freiheit gehalten hat.
„ Aber es ist doch ein Hund ! “
„ Trotzdem, ich kann sie ja nicht zwingen “, sagt Vater.
Otto schaut mich irritiert an, so viel Mitbestimmungsrecht verwirrt ihn. Normalerweise geht er dort lang, wo ich langgehe. Das Konzept hat sich
bewährt. Bevor er auch noch eine Revolte vom Zaun
bricht, lenke ich ein und akzeptiere, dass Vaters Verständnis
von „ Du musst deinen Weg gehen “ eher
elastisch ist.
„ Gut, dann da lang “, sage ich.
Wir laufen an einer alten Kohlehalde vorbei.
„ Lässt du Maja eigentlich auch mal frei laufen ? “
„ Deine Mutter möchte das nicht. Sie hat Angst,
dass Maja abhaut. “
„ Ach Papa, der Hund ist doch total auf euch
geprägt, die haut doch nicht ab ! Das wäre ja bekloppt,
wer würde denn freiwillig euren Robinson Club für
Vierbeiner verlassen, den ihr gratis anbietet ? “
„ Meinst du ? “
„ Ja klar, schau mal, wenn ich Otto die Leine
abnehme, ist er viel entspannter. “ Ich löse Otto vom
Halsband, und er springt vergnügt durch die Pfützen,
die sich entlang des alten Zechenwegs gebildet
haben.
„ Na ja . . . man kann es mal versuchen “, sagt Vater
und löst Maja von der Leine.
Sie schaut ihn an, schaut mich an – und donnert
dann mit Vollgas in das angrenzende Unterholz,
in dem sie mit einem lauten „ Schlömp “ verschwindet.
„ Scheiße “, sagt Vater.
„ Scheiße “, sage ich.
Der Hund ist weg, wir laufen den Zechenweg entlang
und brüllen : „ Maaajaaa . . . Maaajaaa. “
Otto schaut uns dabei irritiert zu.
Ohne Maja nach Hause zurückzukehren ist keine
Option. Lieber werfen wir uns gemeinschaftlich
vor den nächsten Bus, das wäre sicherlich die
schmerzfreiere Version von dem, was Mutter uns
antut, wenn sie erfährt, dass wir den Hund verloren
haben.
Plötzlich taucht Maja aus dem Unterholz wieder
auf. Sie schaut uns unschuldig an.
„ Meine Güte, Maja ! “, seufzt mein Vater voller
Erleichterung, gerade noch dem heimischen Würgegriff
entkommen zu sein.
Plötzlich sehe ich, dass Maja etwas in ihrem Maul
trägt. Ihre gespreizten Lefzen sehen fast so aus, als
würde sie uns anlächeln.
„ Eine Ratte! “, brülle ich erschrocken, als ich erkenne,
was da schlaff und pelzig in Majas Mund
hängt. „ Ist die tot ? “
Vater starrt seinen Hund ebenso erschrocken an
wie ich, selbst Otto weiß nicht, was er dazu sagen
soll, er würde niemals etwas jagen und fressen. Wenn
die Futterdose auf die Idee käme, sich zu wehren,
würde er wohl lieber den Hungertod sterben.
„ Ich denke, die hat dem Fährmann Charon bereits
die Münze gegeben “, sagt Vater reichlich pathetisch.
Ob Ratten wirklich den Styx überqueren müssen,
halte ich für sehr fraglich.
„ Auuuus, Maja ! Auuuus ! “, zieht Vater seine Vokale
lang, geht dabei in die Knie und breitet seine
Arme beschwichtigend aus, was ein bisschen wie ein
russischer Volkstanz aussieht.
Maja macht tatsächlich Platz und mustert mich
und meinen Vater irritiert. Dann öffnet sie den Schlund und schluckt die komplette Ratte in einem Haps herunter wie ein behaarter Tyrannosaurus Rex.
„ Scheiße “, sagt Vater.
„ Scheiße “, ergänze ich.
„ Was machen wir denn jetzt ? “, frage ich ihn, und
er erwidert ziemlich schnell : „ Jetzt laufen wir ! “
Als wären wir in einer Zeitschleife gefangen,
beginnt er wieder zu rennen, wuchtet dabei aber
diesmal Maja auf den Arm. Ich packe Otto ebenfalls.
Wir sehen wahrscheinlich aus wie zwei geisteskranke
Hundekidnapper, wie wir da mit den Hunden
unter dem Arm in die Spielstraße zu unserem
Haus einbiegen.
„ Wir müssen sofort zum Tierarzt “, sagt Vater und
setzt Maja auf den Rücksitz des Autos, das zum Glück
außerhalb von Mutters Sichtweite geparkt ist. „ Wenn
deine Mutter das rauskriegt, sind wir einen Kopf kürzer! “
„ WIR ? “, frage ich, bis mir wieder einfällt, dass
ich meinen Vater ja ermutigt hatte, Maja laufen zu
lassen.
„ Wir müssen uns beeilen, vielleicht kann der die
da noch rausholen. Man kann ja gar nicht wissen,
was für Krankheiten so ein Viech in sich trägt. “
Wir rasen zum Tierarzt. Als wir dort aufschlagen,
steht gerade eine Oma mit einer Kiste an der Rezeption.
„ Hansi ist irgendwie nicht in Ordnung “, sagt sie,
während man aus der Kiste nur ein lautes und deutliches
„ Arschloch ! Du Arschloch “ hört.
Entweder hat die Frau einen kranken Papagei oder
einen sehr kleinen und vulgären Enkel in der Kiste.
Vater und ich stürmen die Praxis wie die GSG 9,
wobei wir uns vom Überfallkommando dadurch
unterscheiden,
dass wir keine Maschinengewehre
tragen, sondern Mischlingshündin Maja, die recht
verdutzt auf die anderen wartenden Herrchen und
Frauen herabblickt.
„ Es ist ein Notfall! “, ruft Vater und rennt an der
Rezeption vorbei direkt ins Zimmer des Arztes, der
sich gerade über ein Meerschweinchen beugt.
„ Ich operiere ! “, beschwert er sich.
„ Egal, was es kostet, helfen Sie uns “, brüllt Vater.
Hier wird heute große Theatralik geboten – ungewöhnlich
für einen Mann, der meine Geburt der
Legende nach mit den Worten „ Gute Sache “ kommentiert hat.
Der Arzt sieht genervt von den winzigen Hoden
seines kleinen Patienten auf, die er gerade mit einer
Klemme fixiert. „ Was ist denn ? “
„ Der Hund hat eine Ratte verschluckt ! EINE
RATTE ! “
„ Und ich soll Ihnen jetzt helfen ? “
„ Ja ! “, brüllt Vater. „ Was sollen wir denn jetzt
machen ? “
„Reichen Sie ihm halt eine Serviette “, sagt der Arzt
und besinnt sich wieder darauf, das arme Meerschweinchen
zu kastrieren.
„ Was ? “, erwidern Vater und ich fast zeitgleich.
„ Es gibt kaum eine bessere Mahlzeit für den Hund
als so eine Ratte. Haut, Knochen, Innereien, da ist alles
drin, was der Hund braucht “, sagt der Mann seelenruhig
und vollendet den finalen Schnitt, der aus Meerschweinchenbulle
Meerschweinchenbully macht.
„ Und wir können nichts tun ? “, schiebt Vater unsicher
hinterher, vielleicht haben wir den Mann ja
falsch verstanden.
„ Doch, Sie können 52,50 Euro für die Beratung
dalassen, so viel kostet der Besuch meiner Sprechstunde
“, antwortet der Tierarzt und verweist uns mit
einem ernsten Blick des Raumes.
Als Vater und ich zu Hause ankommen, schaut uns
Mutter fragend an.
„ Wo wart ihr denn so lange ? “, will sie verständlicherweise
wissen, der Blick auf die Uhr verrät, dass wir fast drei Stunden weg waren. Wenigstens ist das Rudel inzwischen wieder komplett : Otto und die
Rattenfresserin trotten hinter uns ins Wohnzimmer.
„ Ach, wir sind mal eine andere Route gegangen “,
lüge ich nicht gerade gekonnt. In der Zeit wäre man
in etwa einmal nach Bochum und zurückgelatscht.
„ Ja . . . wirklich schön . . . am See “, ergänzt Vater.
Manchmal sollte man lieber die Klappe halten.
„ Welcher See denn ? “, fragt Mutter sofort misstrauisch,
denn wir wohnen in Gelsenkirchen, nicht
an der Mecklenburgischen Seenplatte.
Plötzlich hören wir ein polterndes Husten aus der
Ecke, Maja hinter uns klingt, als hätte sie ihr Lebtag
in einer Eisenerzmine gearbeitet.
„ Ist alles gut mit Majalein ? “, fragt Mutter, inzwischen
höchst misstrauisch.
„ Klar, alles super ! “, sage ich, beuge mich zum Hund runter, hebe den hervorgewürgten Rattenschwanz auf, verberge ihn hinter meinem Rücken und schiebe lächelnd ein „ Alles wunderbar “ hinterher.

 

Der Aufzug
Was für ein ätzender Tag. Dauerregen und Stau in der Innenstadt, der aus einem Kilometer eine gefühlte Marathondistanz macht. Auf den einzigen
drei Metern freier Strecke bin ich auch noch
geblitzt worden. Und ich muss schon seit dem Losfahren
aufs Klo. Dazu hat Otto heute seine dollen
fünf Minuten – seit genau drei Stunden am Stück.
Endlich zu Hause angelangt, versuche ich, ihn in
den Aufzug zu bugsieren, er aber zieht an der Leine
und bleibt vor der Tür des Aufzugs sitzen, ich stehe
hingegen bereits drin. Kurz bevor unser Mops von
den schließenden Türen geköpft wird, hämmere ich
auf den Notausschalter des Aufzugs und löse damit
offensichtlich einen Kurzschluss aus. Plötzlich ist es
dunkel. Otto kratzt von draußen an der Aufzugstür,
ihm geht es zumindest schon mal gut. Ich drücke die
Notruftaste. Einmal, fünfmal . . . doch es tut sich gar nichts. Der Kurzschluss hat wohl auch den Notruf
lahmgelegt, geniales System. Da klingelt auch noch
mein Handy.
„ Na, Spatzilein, alles gut bei diöööö ? “
„ Geht so, Mama. Es passt gerade nicht so gut. “
„ Robert, hörst du, wir stören schon wieder ! “
„ Mama . . . es ist gerad . . . “
„ Eine Mutter stört NIE, Bastian . . . ich hab’s ihm
gesagt, Robert. “
„ Mama . . . “
„ Da ruf ich mal an, und schon stört es wieder !
Denk mal dran, wer dich zur Welt gebracht hat ! “
„ Mama ! “
„ Das ist richtig, Sohn ! “
„ Ich stecke im Aufzug fest. “
„ Wie ? “
„ Wie wie ? Ich stecke im Aufzug, und der Hund
sitzt draußen vor der Tür ! “
„ Das trifft sich gut, gib mir den Hund mal. “
„ Geht nicht, hab doch gerade gesagt, dass der vor
der geschlossenen Fahrstuhltür sitzt. “
„ Der Hund sitzt vor der Tür ? “
„ Sag ich doch. “
„ Und er ist eingeschlossen ? “
„ Hä ? “
„ Ich übersetze nur für deinen Vater. “
Ich komme mir vor, als würde ich mit meinem Echo
sprechen.
„ Stell doch auf laut. “
„ Geht nicht, ist kaputt. “
Kaputt heißt, dass Mutter vergessen hat, welcher
Knopf der richtige ist.
„ Können wir vielleicht später telefonieren ? Ich muss
jetzt hier mal den Notdienst rufen. “
„ Notdienst ? Warum das denn ? “
„ WEIL ICH IM AUFZUG FESTSITZE ! “
„ Drück doch die Notruftaste. “
„ Das habe ich getan, mittlerweile zehn Mal, aber
da passiert nix. “
„ So was passiert auch nur dir, Bastian. “
„ Was ist das denn für ein bescheuerter Vorwurf ?
Ich hab mir das doch nicht ausgesucht ! “
Seit ich klein war, höre ich dieses „ Das passiert auch
nur dir “ ständig von meinen Eltern. Als hätte ich ein
Patent auf unvorhersehbare Notsituationen. Als ich
mir mal ein Bein brach, sagten sie, obwohl es statistisch
kompletter Blödsinn ist : „ Das passiert auch nur
dir ! “ Als ich mal einen kompletten Urlaub lang Magen-
Darm-Grippe hatte, hieß es : „ Das passiert auch
nur dir ! “ Und als meine erste Freundin nach der
Trennung lesbisch wurde, hieß es das auch. Im letzten
Fall hatten sie wahrscheinlich leider sogar recht.
„ Ach ja, weißt du eigentlich, was heute ist ? “
„ Keine Ahnung ? Weltaufzugstag ? “
„ Ottos Geburtstag ! Der 22. 9. ist Ottos Geburtstag.“
„ Ach, wirklich ? “
Ich glaube, es gibt direkt nach dem Namenstag von
Tante Renate kaum einen Festtag, der für mich weniger
Bedeutung hat.
„ Natürlich, Otto ist Jungfrau, das merkt man gleich. “
„ Mutter, bitte. Sollen Sternzeichen jetzt auch
noch für Hunde gelten ? “
„ Man nennt es nicht umsonst Tierkreiszeichen, Bastian. “
„ Da kommt das sicher nicht her, Mama. “
„ Du verstehst ja auch keine Ironie, Bastian. Hast
du das Paket denn schon bekommen ? “
„ Was denn für ein Paket ? “
„ Mein Gott, für Ottos Geburtstag ! “
„ Mama, Ottos Geburtstag ist uns relativ egal. “
„ Tja, das sieht dir ähnlich. “
„ Ihr habt doch um MEINEN Geburtstag auch nie
Aufhebens gemacht, ihr habt immer nur gesagt, dass
geboren werden keine Leistung ist. “
„ Aber hier geht es doch um den Hund, nicht um dich ! “
Unglaublich, wie meine Eltern Prioritäten setzen.
Vor der Tür höre ich die liebenswerte Oma, die unter
mir wohnt, Frau Schürhuf, sie ist offensichtlich gerade
vom Einkaufen zurückgekommen und will in
den Aufzug steigen, vor dem aber nur ein verdutzter
Otto sitzt.

Bastian Bielendorfer

Über Bastian Bielendorfer

Biografie

Bastian Bielendorfer ist Stand-up-Comedian, Diplompsychologe und Lehrerkind. Zusammen mit seiner Frau versteckt er sich vor den guten Ratschlägen seiner Eltern in Köln. 2011 veröffentlichte er sein Debüt "Lehrerkind - Lebenslänglich Pausenhof", das zum meistverkauften Taschenbuch im Bereich Sachbuch...

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